Dienstag, 20. März 2012

Enno Bunger - Regen


Vereinzelte Klaviernoten tasten sich durch den Raum, lassen das Rascheln verstummen und füllen ihn schließlich ganz. Das Spiegelbild auf dem Klavier ist verzerrt, fast so als wäre dort vor langer Zeit ein Regentropfen niedergegangen, der nichts weiter als kleine Wellen hinterlassen hat, welche der Lack gefangen hält. Interessierte Augen lugen über dem Sofa durch den Schein der Stehlampe auf die Musiker. Einer von ihnen schaut betroffen. Sein Blick wirkt von der Leere befangen und es scheint, als wäre es ihm widerfahren, als würde er die Worte kennen, die er singt. Doch alles was davon übrig geblieben ist, sind graue Fragmente der Erinnerung, die wie die Staubkörner gerade im grellen Scheinwerferlicht aufgeworfen werden. Sie suchen seine Nähe und brechen seine vernarbte Wunden auf, drängen den Schmerz nach draußen, um sich mit der Dunkelheit im Raum zu versetzen und ihn schließlich darin aufzulösen. Der Herzschlag des Klaviers bebt auf dem Holz, ehe er gezähmt zur Ruhe kommt. Der letzte Ton wandert verkratzt über die Saite und hallt leise nach. Der Staub verliert seinen Halt und treibt ungehört zu Boden. Seine Augen fallen zu. Die Narben schließen sich und werden von einem tosenden Regenschauer bedeckt.

Es ist dieser Abend. Drei Musiker an einem Klavier, ihre Töne in den Ohren, schwarz-weiße Bilder vor Augen, das Tropfen des Regens in den Gedanken und die leichte Vorahnung eines Lächelns auf den Lippen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Nur zu, tu Dir keinen Zwang an!