Mittwoch, 14. März 2012

Die Jagd

Das Sonnenlicht dringt durch das Geäst der gewaltigen Bäume, um sich jedoch im Dickicht der Wildnis zu verlieren. Die Luft ist stickig und wird mit dem kreischenden Gebrüll der Tiere gefüllt, die man nicht zu erspähen vermag und sich doch hinter jedem Blattwerk zu verbergen scheinen. Schweißperlen rinnen über mein Gesicht und tropfen auf das grün überwucherte Erdreich, in dem ich regungslos verweile. Ich weiß nicht, wie lange ich schon hier bin, doch fühlt es sich wie eine von Leiden geplagte Lebensspanne an. Es scheint mir, als wäre ich eins geworden mit diesem seltsamen Ort, der so viele Wunder bereithält und mich immer tiefer in seine Geheimnisse zieht. Jeden Tag ernähre mich von den Früchten des Waldes und dem Tau der Blüten. Mittlerweile kommt mir die Zivilisation wie etwas vor, von dem ich einmal geträumt habe und welches sich nun zu einer verschwommenen Erinnerung eines längst vergessenen Traumes verwandelt.
Dennoch bleibe ich hier und schärfe meine Sinne mit der flüchtig gewordenen Hoffnung, um schließlich doch jenen Augenblick erleben zu dürfen, der meine Geduld endlich belohnt. Als das undurchdringliche Dickicht eine Herde wundersamer Geschöpfe hervorbringt und mit ihnen den Grund, warum es mich hier her verschlagen hat, überkommt mich ein Schauer des Glücks. Unwissend von meiner Gegenwart tummeln sich direkt vor meinen Augen und ich kann meine Freude kaum greifen. Diese magisch anmutenden Wesen voller Eleganz und Schönheit. Jedes von ihnen ist einzigartig. Doch muss ich die Aufregung meines Herzschlages ersticken. Diese Gelegenheit darf nicht ungenutzt an mir vorbeiziehen. Langsam erhebe ich mich und lege meinen angestrengten Blick auf sie. Ich zücke den Bogen. Vorsichtig lege ich den Pfeil an, atme tief ein und spanne die Sehne. Der Pfeil richtet sich auf das Ziel. Schweiß perlt von meiner Augenbraue zu Boden und lässt den Wald abrupt verstummen. Das Geschöpf hebt seinen Kopf und entdeckt mich. Ich atme aus. Meine Finger lösen sich von der Bogensehne, befreien den Pfeil aus seiner Starre und entsenden ihn zischend auf seine Bestimmung. Ohrenbetäubendes Durcheinander durchzieht den Wald, als die Spitze sich durch das Fleisch bohrt. Die Herde entflüchtet in das Dickicht und erst kurze Zeit später erkenne ich, dass das Ziel verfehlt wurde. Statt dem magischen Wesen erlegte ich ein garstig aussehendes Untier. Noch ehe ich mich ihm nähern kann, macht sich ein übler Gestank bemerkbar. Ich bin mir nicht sicher, ob sein Ableben dafür verantwortlich ist oder er ihn schon zuvor umgab. Vor überschäumender Wut zerbreche ich den Bogen  und werfe ihn ins Gebüsch.

Er bricht den Stift entzwei, zerknüllt das Papier und wirft es zu den anderen zerknitterten Worten neben dem überwucherten Mülleimer. Das Sonnenlicht dringt schwach durch das Rouleau in sein Zimmer und verliert sich doch in dem Meer der aufgebrauchten Tiefkühlkostbehälter. Die Luft ist stickig und wird mit der lauten Musik des Radios gefüllt. Er wischt sich die Schweißperlen aus dem Gesicht und kratzt sich an dem mehrwöchigen Dreitagebart. Regungslos starrt er auf das leere Blatt Papier vor ihm, ehe seine Augenbrauen sich aufgeregt erheben und er einen Stift zückt. Als er kurze Zeit später seine Sätze überprüft, verzieht er eine angeekelte Grimasse. Seine Faust kracht auf den Tisch und ein mit Wut elektrisierter Urschrei erschüttert das Zimmer. Er zerknüllt das Papier und wirft es gegen die Wand. Es ist Tag 19 seiner Schreibblockade und es ist ihm bisher noch nicht gelungen, seine Gedanken mit vernünftig klingenden Worten einzufangen.

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