Samstag, 15. Januar 2011

Was als eine E-Mail anfing...

... entwickelte sich sehr schnell zu einer spontanen Geschichte, als die Muse mich aus Langeweile zum Schreiben brachte.

Na, wie gehts? Ich hocke gerade auf Arbeit und warte auf meine Mitfahrgelegenheit, die wohl mal wieder Stunden brauchen wird um sich auszukäsen. Meine Motivation ist daher gerade dort, wo es für Homosexuelle gerade erst anfängt interessant zu werden, nämlich an dem Ort wo die Sonne nie scheint, es sei denn, man ist gerade bei einer Prostata Untersuchung und auf Grund einer globalen Energiekrise ist der Strom rar geworden. Daher können Ärzte auch nicht mit einer künstlichen Lichtquelle arbeiten, um den Zustand der Prostata einzusehen. Deshalb sind sie gezwungen den Tagesanfang abzuwarten, da zu dieser Tageszeit die Sonne tief steht und somit einen optimalen Winkel bietet, um einen Blick ins Innere eines Mannes zu gewinnen. Als Randnotiz muss hier natürlich erwähnt werden, dass unser lieber Arzt, um den es nachfolgend gehen wird, keinen blassen Schimmer von Medizin hatte und daher auch nicht wissen konnte, dass eine Prostata Untersuchung über die haptische Schiene gefahren wird. Der Grund warum unser sympathischer Arzt keine Ahnung von dieser Tatsache hat, liegt darin verborgen, dass er bis zu diesem Tag niemals auf einer Universität war und das obwohl er eigentlich eingeschrieben war. 
Das geschah nur auf Druck seiner Eltern, die unbedingt wollten, dass aus ihm ein erfolgreicher Mensch wird. Natürlich vergaßen seine Eltern, wie so viele auf diesem trostlosen Planeten, dass sich Erfolg nicht an materiellen Reichtum messen lässt, sondern vielmehr an der Anzahl der Endorphine welche durch unseren Körper jagen, weil wir mit dem was wir tun, wer wir sind und wie wir leben glücklich sind. Sie übten sie so viel Druck auf unseren Arzt aus, dass es ihnen überhaupt nicht auffiel, dass er seine Passion, seine Leidenschaft im Schreiben lag. Er fand großen Gefallen daran, aus Buchstaben Worte zu formen und aus diesen wiederum Sätze, welche sich mit etwas Anstrengung und Glück zu einer Geschichte verwandelten. Unser Arzt hatte eine Menge dieser Geschichten fertiggestellt. Die meisten befanden sich noch in seinem Kopf, einige wenige hatte er sorgsam und mit viel Liebe zu Papier gebracht, um sie wenig später in den dunklen und einsamen Sphären der untersten Schublade seines Schreibtisches verschwinden zu lassen. Er fürchtete den Groll seiner Eltern und so versteckte er dort all seine Schätze. Unser Arzt war ein großartiger Schreiber ohne Frage. Er vermochte seinen Charakteren mit Heldentum und Mut zu bekleiden, doch wurden diese Eigenschaften nur mit Tinte auf Papier gebracht. Sie fanden den Weg nicht zu ihn, seinen Worten oder Taten. So blieb er stumm, als der Vater seinen Lebensweg mit viel Kalkül zeichnete. Doch obwohl ihm der Mut zur Wahrheit fehlte und die Lügen belasteten, faszinierte ihn die Leidenschaft für das Schreiben. Denn so oft vergaß er dabei die Zeit und es kam es häufig vor, dass das morgendliche Vogelgezwitscher ihn vollkommen unvorbereitet aus seiner Welt riss. Diese Welt, in der er sich so geborgen und willkommen fühlte. In der er epische Abenteuer bestreiten oder sich einfach in einem Detail verlieren konnte. So vergingen die Jahre und mit viel Fantasie, wovon er reichlich hatte, täuschte er seinen Eltern erfolgreich den strebsamen Studenten vor. Sein Vater war so stolz auf sich, als er an jenem Tag glaubte, dass sein Sohn endlich seinen Abschluss erreicht hatte. Er nahm ihn in seiner Praxis auf. Vater und Sohn sollten von fortan erfolgreich in einer gemeinsamen Praxis arbeiten. Der Zufall wollte es nicht anders, dass die Mutter eines Tages Sonnenlicht in die unterste Schublade seines Schreibtisches brachte und den vielen Geschichten nun das gab, was sie all die Zeit entbehren mussten und so dringend brauchten, einen Leser. Die Mutter betrachtete seine Buchstaben, wie er aus ihnen Worte gebildet und diese zu Sätzen geformt hatte, welche sich wiederum auf so wundervolle Art und Weise zu Geschichten verwandelten, dass ihr die Tränen kamen. Ihre faltige Haut wurde jedoch nicht nur wegen der Schönheit der Texte mit Tränen benetzt, sondern auch, weil sie nun begriff, dass diese Geschichten in der Lage waren das kalte Herz des Vaters zu brechen. Zaghaft wischte sie sich die Traurigkeit aus dem Gesicht. Ihre Hand zitterte, als sie das Papier zurück in die Dunkelheit der untersten Schublade zwängte und seither nie wieder öffnete. Sie schwieg und verdrängte jene Gedanken, die mahnend von Zeit zu Zeit aufkamen, ob ihr Sohn wirklich zufrieden oder gar glücklich mit seinem Leben als Arzt ist. 
So vergingen Jahre bis zu dem Tag, diesem schicksalhaften Tag, als unser sympathischer Arzt vor dem Hintern eines behäbigen Mannes stand. Er wartete darauf, dass sich die Sonne über die Wolkenkratzer heben würde und somit einen optimalen Winkel garantieren zu können, um Licht in eine Sache zu werfen, die er selbst mit seiner großen Fantasie nicht im Stande gewesen wäre auszumalen. Es war genau dieser Moment, als er sich schwor, dem Vater eines Tages mutig gegenüberzutreten, ihm die Worte zu geben, welche er nicht wollte und doch verdiente. Doch dieser Tag starb mit dem Augenblick, als die Sonne ihr erstes Licht über die Häuser warf. Ein dumpfes Geräusch aus dem Nebenzimmer füllte die Praxis kurz mit Stille. Als unser Arzt hastig die Tür auf riss, fand er den Vater, welcher auf den Boden lag und mit seiner Hand starr zur linken Brust griff. Es versagte genau jener Muskel, der all die Jahre verzweifelt versuchte seinen Körper mit Wärme zu füllen und nun endgültig aufgab. Unser Arzt kniete vor ihm und konnte den Hilfe suchenden Blicken seines Vaters nicht mehr als Hilflosigkeit erwidern. Kurze Zeit später schaute er in die leeren Augen seines Vaters, und hielt noch immer seine Hand. All die Jahre vermochte er nicht das Herz seines Vaters zu brechen und nun war er unfähig es zu retten. 
Nach dem Tod des Vaters vergeht kein Tag, an dem er nicht von Schuldgefühlen überworfen wird. Mit der Zeit wächst in ihm der Gedanke heran, dass er eine Person war, die er eigentlich nicht ist. Dieser Gedanke verändert alles. Denn ist es jener Gedanke aus dem sich ein Gefühl bildet, welches sich wiederum zur Gewissheit formt, das er sein Leben von Grund verändern muss. Er beschließt endlich Arzt zu werden. Wieder schreibt er sich in der Universität ein, jedoch besucht er diesmal die Vorlesungen und nach einigen Jahren der harten Arbeit, erhält er seinen Doktortitel. Aus unserem Arzt ist endlich ein Arzt geworden. Nur kurz darauf eröffnet er die alte Praxis seines Vaters und versteht es diesmal, mit nötigen Sachverstand, die Prostata eines Mannes medizinisch korrekt zu untersuchen. Er befindet sich in genau dem Leben, das sein Vater für würdig erachtet hätte. An einem Abend, nachdem der letzte Patient die Praxis verlassen hatte, bringt unser Arzt schwaches Sonnenlicht in die unterste Schublade seines Schreibtisches, als er diese durch einen Moment der Gedankenlosigkeit öffnet. Es ist jener Augenblick, als er den Geschichten die Vergessenheit nimmt, die ihm all die Jahre so viel Freude und Geborgenheit geschenkt haben. Der Anblick seiner Geschichten entfacht ein Feuer aus längst vergessenen Tagen. Ausdruckslos wirft er Papier um Papier in den Ofen, während seine Augen kalt das wild lodernde Feuer zurückwerfen. Die Flammen verschlingen Wort um Wort und fast scheint es, als ob sich das Papier vor lauter Schmerz krümmen würde, bis nichts mehr als eine verkohlte Erinnerung zurückbleibt.
Als die Sonne Jahre zuvor ihr Licht in die Praxis warf, starb an diesen schicksalhaften Tag nicht nur ein Vater, sondern vielmehr auch ein großartiger Autor. Ein Autor, der mit seinen Geschichten die Herzen der Menschen erreicht und erwärmt hätte, wie das, seines Vaters. 

Also meine Motivation ist mit anderen Worten gesagt, im Arsch...

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