Samstag, 8. September 2012

Peinliche Reinlichkeiten


Als die Neurotransmitter vor euphorischer Überschwänglichkeit die Informationen dieses Bildes an das dafür zuständige Gehirn übertrugen, stellte sich dieses zurecht erneut die Frage, warum dieser festgehaltene Augenblick sich auf diesem virtuellen Ort tummelt. Möchte der Kamerainhaber subtil Werbung für Anti-Age-Creme für Glatzeköpfe machen? Oder will er die Leser mit einem schwierigen Bildersuchrätsel unterhalten, dessen Ziel es ist, das Logo einer weltweit organisierten Fastfoodkette ausfindig zu machen und dem Gewinner mit einem persönlichen Treffen zu belohnen, welches aber vielmehr die abgestandene Einsamkeit des Autors kompensieren soll, die er nicht mehr mit unauffälligem Bademantel und Spiegelreflexkamera auf dem hiesigen Kindspielplatz vertreiben kann?
Der Grund für das Foto befindet sich peinlicherweise überhaupt nicht mehr auf dem Foto selber, sondern passenderweise genau hinter des mit Monotonie gestyltem Mülleimers und ist nichts weiter als eine Columbidae, was der Volksmund der Einfachheit halber nur Taube nennt. Jedoch ist dies keine gewöhnliche Taube, sondern eine, die sich im Wasserspiel der Fußgängerzone ungeniert der Körperpflege hingibt und die ich mit verliebten Blick erspähte, gerade als ich nichtsahnend durch die Stadt trottete. Lasziv wie eine kongolesische Straßenprostituierte im Evakleid, räkelte sie sich vor mir im kühlen Nass und nicht nur mein ausgeprägter Vogelfetisch schlug hier Alarm, sondern auch die Ironie höchstpersönlich drosch aufgeregt in meine Visage. Hinter den Rücken der Tauben werden ja allerlei üble Gerüchte verbreitet, die alle in dem Konsens enden, dass es sich hierbei um ein unreinliches und todbringendes Untier der Lüfte handelt. Natürlich sprechen achtlos ausgeschiedene Verdauungssäfte auf kulturträchtigen Denkmälern oder billigen Jacken Fäkal-Bände aber dennoch fand ich das Bild einfach zu entzückend, wie sich ein als unhygienischer verschriener Zeitgenosse vor den Augen der Stadt einer reinigenden Wäsche unterzieht.
Abschließend mag man sich als mündiger Bürger erneut fragen, warum der aufmerksamkeitsfanantisch erscheinende Schreiberling dann nicht einfach einen besseren Schnappschuss hochgeladen hat. Doch hier muss ich erneut auf den älteren Herrn verweisen, der sein für Anti-Age-Creme Werbung prädestiniertes Haupt in die Linse der Kamera hält. Denn zierte mich dieser Unhold immerzu mit niederträchtigen Blicken, als ich im Begriff war, den Waschvorgang der Taube einzufangen. Obwohl ich nichts Böses im Sinn hatte, schüchterte mich sein unablässiges Gestarre so sehr ein, sodass ich mich gezwungen sah den Ort außerhalb seiner durchdringenden Augen zu verlegen. Jedoch fand ich dort ebenfalls keine Ruhe, da sich in seinem Rücken seine getreuen Starr-Sidekicks befanden, die mich mit einem Dutzend weiterer Augenpaare durchbohrten. Gepeinigt von der fehlenden Privatsphäre inmitten der Fußgängerzone drückte ich hastig auf den Auslöser und sah auf meinem Rückweg noch, wie die Taube die Flucht ergriff, gerade als eine Kehrmaschine den Beton reinigte.

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