Donnerstag, 29. März 2012

Wunden


Als der Ball über das Netz schnellte, hinterließ er mit klatschendem Geräusch einen purpurroten Abdruck in Hannes‘ Gesicht. Dieser sackte schmerzverzerrt zu Boden und hielt seine Nase bedeckt, aus der prompt etwas Blut quoll. Schroff verwies er die besorgten Hände der Freunde von seiner Schulter, deren Lachen nun verstummt war. Er verließ das Spielfeld mit gekrümmter Haltung und steuerte auf eine Parkbank unter einem Baum zu, während er dabei eine rote Spur seiner Verletzung hinter sich verursachte. Ausdruckslos wischte er sich das Blut von der Nase, betrachtete es kurz, ehe er es von seiner Hand zu Boden schüttelte. Stumm fielen einige Tropfen in den trockenen Staub der Erde und vermischten sich miteinander, ehe sie versickerten und dunkle Flecken hinterließen.
Ich beobachte ihn eine Weile, wie er gebeugt unter dem Schatten der Eiche sitzt und nur vereinzelte Sonnenstrahlen der Weg durch das dichte Geäst gelingt, um sich dann wie warme Sommersprossen auf seiner Haut zu verteilen. Hannes war einer der schlechtesten Ballspieler, die ich kannte und ehrlich gesagt, wusste ich nicht, warum wir ihn noch zu unseren Spielen mitnahmen. Irgendwie schaffte er es stets, den Platz vorzeitig mit einer Verletzung zu verlassen. Ging es hingegen um Gefühle oder zwischenmenschliche Verstrickungen, verblüffte er uns mit einer ungemeinen Geschicklichkeit diesen auszuweichen. Hannes und ich kennen uns schon seit dem Abend als Katja ihre Tasche zu Hause vergessen hatte und wir uns ein Taxi teilen mussten und trotz all der Jahre vermag ich es immer noch nicht, ihn fassen zu können. Nur an eine Beziehung kann ich mich bei ihm erinnern, die es jedoch nicht schaffte, über den Spanienurlaub hinauszuwachsen. Er verlor nie ein Wort darüber und dennoch fand ich in jeder noch so kleinen Verästelung seines Gesichts die zurückgebliebene Traurigkeit, wenn es zur Sprache kam. Seither trägt er wohl die Angst mit sich, noch einmal dem gleichen Schicksal ausgeliefert zu sein, wie gerade dem auf der Spielfläche.

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