Mittwoch, 28. März 2012

Erinnerungen


Mit einem Staunen in den Augen wandere ich durch die prunkvoll ausgestatteten Räume und wage es kaum auch nur einen der teuren Einrichtungsutensilien mit meinen Fingerspitzen zu berühren. Ich setze mich vorsichtig auf den schwarzen Marmorboden und versuche mein Spiegelbild darin zu finden und entdecke doch nur die dunklen Verästelungen darauf, die wie ein Geschwür das Zimmer zu überwuchern scheinen. Durch den Flur hallen Schritte und kündigen einen Abschied an. An der knarzenden Türschwelle kommen sie letztendlich zur Ruhe. Für einen Augenblick füllt gähnende Leere den Raum mit Stille, ehe ich meinen Namen höre, der meinen Blick zu Boden stolpern lässt. Nach kurzem Zögern schaue ich schließlich über meine Schulter in die Augen meines Vaters. Seine Worte dröhnen in meinen Ohren und nur benommen kann ich ihm ein Nicken erwidern, als er mir zu erklären versucht, dass die Zeit gekommen ist, nun zu gehen. 
Der Regen legt sich als undurchdringlicher Schleier über die getrimmten Grashalme des Vorgartens und verwischt meine Fußspuren im Schlamm, als ich zum Auto wate. Erst jetzt fällt mir die Enge des Innenraumes auf und der aufdringliche Geruch des frischen Leders, welches sich über die Autositze spannt. Mit einem dumpfen Klang schließt er die Tür und durch den Rückspiegel kann ich ausmachen, dass auch er sich der Tränen nicht erwehren konnte, sie jedoch wie den Regen von der Windschutzscheibe gewischt hatte, um seine Sicht nicht zu beeinträchtigen. Nur kurz darauf springt der Motor an und noch ehe er die Bremsen löst bemerke ich, dass ich meine Tasche zurücklassen habe. Ich gebe ihm ein Zeichen, löse meinen Gurt und betrachte flüchtig das grell aufleuchtende Warnsignal auf dem matt schimmernden Armaturenbrett. Zügig öffne ich die Tür und beschließe nicht nur meine Tasche mitzunehmen, sondern auch alles, was aus seinem Haus in ihr Platz findet. Nicht um ihn zu verletzen oder Schaden hinzuzufügen. Vielmehr will ich nicht vergessen. Ich will mir die Erinnerungen aneignen und sie retten. Erinnerungen an ihn, an mich und an diesen Tag. Doch noch ehe sich den Fuß in die aufgelöste Erde drücken kann, sehe ich meine vom Regen durchtränkte Tasche achtlos im Schlamm liegen und begreife, dass ich ihn nie wieder sehen werde.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Nur zu, tu Dir keinen Zwang an!