Freitag, 3. Februar 2012

Aus Sternstunden der Bedeutungslosigkeit

Ihre Tasse stand neben meiner auf dem Bett, sie war noch voll. Ich steckte den Finger hinein, um zu schauen, ob ihr Kaffee noch warm war. Tatsächlich. Das machte mich fertig. Diese Wärme war ihre Wärme, sie hatte den Kaffee gemacht, die Wärme des Kaffees war gleichsam die Wärme ihres Körpers, die jetzt langsam wich und in der Kälte des Todes unserer Liebe enden würde. Ich konnte nicht ertragen, dass der Kaffee sich weiter abkühlte. Ich ging in die Küche, holte ein Teestövchen, zündete ein Teelicht an und stellte die Tasse drauf. Ich fühlte mich besser. Aber das Wasser im Kaffee würde verdunsten, verschwinden, wie sie es getan hatte. Ich holte etwas Frischhaltefolie, spannte sie über den Kaffee und konnte nun beruhigt zurücksinken. Solange dieser Kaffee warm blieb, war die Sache nicht gestorben, lief unser Ding irgendwie weiter, war dieser Moment festgehalten, gab es einen Weg zurück. So fühlte ich. Ich habe mir eine Warmhalteplatte gekauft, und nach einigen Monaten habe ich den Kaffee in ein Einweckglas umgefüllt, weil die Frischhaltefolie immer so zerbeulte, aber nun steht er da, ewig warm, wie ein olympisches Feuer der Liebe. Ich kümmere mich um ihn, entstaube das Glas, bewege ihn manchmal ein wenig, damit er nicht absetzt. Andere Leute haben Haustiere, ich habe meinen Kaffee.

Rocko Schamoni - Aus Sternstunden der Bedeutungslosigkeit

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