Samstag, 24. September 2011

Ausgeklatscht

Das Klatschen wird als eine Klanggeste definiert, bei der die Handflächen zusammengeschlagen werden, um dadurch seinen Beifall und gar Freude zu bekunden. Meist findet man diese Äußerung der Begeisterung bei euphorischen  Besuchern eines ausverkauften Konzertes, bierbäuchigen Gröhlern in stickigen Parlamentssälen oder einem ziviluncouragiertes Zuschauerpulk, die auf karg beleuchteten Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel applaudieren, wenn sich ein dunkelhäutiger Bürger mit Migrationshintergrund in einer Prügelei dem fremdenfeindlichen Pack die Stirn bietet. 
Doch kann dieses Klatschen auch in anderen Situation auftauchen, zum Beispiel in einer hellhörigen Wohnung, wenn sich die Nachbarn dazu einigen konnten, mal wieder den leidenschaftlichen Geschlechtsverkehr zu praktizieren. Doch hat dies hier nichts zu suchen, denn hier geht es um das Zusammenschlagen der Hände. 

Wer schon einmal in das spezielle Vergnügen kam, eine mehrtägige Busfahrt unternommen zu haben, dürfte nicht nur bemerkt haben, dass die Mordlust auf die illustren Mitreisenden mit zunehmender Fahrtzeit wächst, sondern dürfte auch das obligatorisch gewordene Beklatschen des Busfahrers bei der Ankunft registriert haben. Dabei wird meist ein lethargisch und ungepflegt erscheinender Zeitgenosse mit Beifall bedacht, welcher während bei den Rastpausen damit auffiel, sich abseits der Reisegruppe dezent den schweißdurchtränkten Schritt zu kratzen oder unverblümt in das faltige Dekolleté der in die Jahre gekommene Reiseleiterin zu gaffen. Warum also wird dieser Mensch mit Klatschen belobigt, da er nicht mehr als seinen Arbeitsauftrag nachgegangen ist?
Wäre er bei der Reise mit dem Bus auf die Standspur gefahren, um eine eingeklemmte italienische Großfamilie aus einem brennenden Auto zu befreien und danach im Rausch des Adrenalins das Familienoberhaupt mit einer spontanen Notoperation das Leben zu retten oder hätte er während der Reise den Horizont der Gäste mit gesellschaftskritischen  Kurzgeschichten aufstrebender Autoren erweitert, ja dann wäre gewiss ein dezenter Applaus angebracht. Aber doch nicht bei der Ausführung seiner Arbeit.

Das Phänomen des unangebrachten Klatschens findet man auch in einem anderen Transportmittel, nämlich in dem Flugzeug. Wenn der Pilot die erfolgreiche Landung via Lautsprecher kund gibt, wird gejubelt und auf den eingepferchten Plätzen getanzt, als hätte er gerade in sporadischer Eigeninitiative den Weltfrieden oder die Abschaffung des vorzeitigen Samenerguss beschlossen. Doch auch hier hat der werte Herr im Cockpit nichts weiter getan, als seine im Arbeitsvertrag vorgesehene Tätigkeit auszuführen, die dank der modernen Technik wohl auch einem tibetanischen Gärtner mit Erektionsproblemen gelungen wäre.
Hätte er die monotone Flugzeit der Passagiere mit einem frivolen Striptease und Gänsehaut verursachender Beschallung aufgefrischt oder sich mit Benzin übergossen, entzündet, wild schreiend durch das Flugzeug gerannt, während er Friedrich Schillers Der Ring des Polykrates rezitiert hätte, um  anschließend das Feuer mit einer Stewardess auf den Boden rollend zu löschen und den euphorischen Fluggästen hautnah die belebenden Vorzüge des Kamasutras für kriselnde Partnerschaften zu erläutern. Dann hätte er gewiss den tosenden Applaus und zahlreiche Sympathiebekundungen verdient.

Wenn Busfahrer oder Piloten für die Ausführung ihrer Arbeit Applaus erhalten, dann fordere ich dies auch bei Müllmännern. Wenn das nächste Mal zu früher Stunde ein grimmig dreinblickender Mann von der Müllabfuhr vor der Haustüre den eigenen Unrat abholt, dann sollte ihn ein euphorischer Haus- oder Wohungsinhaber Beifall klatschen und dies mit ausufernden Jubelschreien bestärken. Natürlich sollten nicht nur die Männer von der Müllbeseitigung in den Genuss kommen von ihren Mitmenschen so motiviert und gefördert zu werden. Nein, es sollte für alle berufstätigen Bürger gelten, die ihre Arbeit auf unspektakuläre Art und Weise ausüben. Daher sollten auch die Verkäufer/innen in den Supermärkten bejubelt werden, genau wie Notare, die die Unterschreibung eines Vertrags als Zeuge streng beäugen und natürlich auch die Politessen, die einem für das falsch geparkte Auto einen überteuerten Strafzettel unter die Scheibenwischer klemmen.
Da dies jedoch zu nimmer endenden Jubelarien in unserem täglichen Leben führen würde, möchte ich doch diese Zeitgenossen bitten, ihr unangebrachtes Verhalten dorthin zu verbannen wo es hingehört, nämlich in die eigenen vier Wände. Dort kann dann ausgiebig und hysterisch in die Hände geklatscht und sich gegenseitig umarmt werden, weil ein Pilot oder Busfahrer vor Stunden den Vollzug seiner Arbeit bekannt gegeben hat. Jedoch hat dies nichts im der Öffentlichkeit zu suchen.

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